Kinder brauchen unperfekte Eltern
Gastinterview zwischen Knut Krüger und Caroline Märki
Dieser Artikel ist ein inspirierendes Interview mit Knut Krüger und Caroline Märki. Die beiden haben ein Buch verfasst, das mit seiner Aktualität und Relevanz den Nerv der Zeit genau trifft. „Kinder brauchen unperfekte Eltern“, das im April 2024 im Kösel Verlag erscheint, ist eine wahre Fundgrube für Eltern. Caroline teilt im Buch ihre persönlichen Erfahrungen und Erkenntnisse, die nicht nur inspirieren, sondern auch Wege aufzeigen, wie Eltern sich selbst und ihren Kindern gegenüber Nachsicht und Verständnis üben können.
Im Gespräch taucht Caroline in ein Thema ein, das vielen Eltern am Herzen liegt: die Erkenntnis, dass man nicht perfekt sein muss, um ein guter Elternteil zu sein. Ihre Einsichten sind ein echter Augenöffner und bieten eine erfrischende Perspektive auf die Herausforderungen und Freuden der Elternschaft.
Caroline: „Dieser Drang nach Perfektionismus ist leider bezeichnet für unsere Gesellschaft. Gerade Eltern wollen es heute nicht nur gut, sondern eben perfekt machen. Kinder bekommen so von ihren Eltern vorgelebt, dass perfekt sein etwas ist, was angestrebt werden muss. Ich meine nicht, dass die Eltern von ihren Kindern Perfektionismus per se verlangen, aber die Kinder atmen diese Haltung in der Familie automatisch ein.“
„Gerade Eltern wollen es heute nicht nur gut, sondern eben perfekt machen. Kinder bekommen so von ihren Eltern vorgelebt, dass perfekt sein etwas ist, was angestrebt werden muss.“ Caroline Märki
Caroline: „Ein liebevoller Umgang mit sich selbst würde schon sehr viel Druck herausnehmen. Es ist ok als Eltern Fehler zu machen. Kinder können damit gut umgehen, solange die Eltern für ihre „Fehler“ die Verantwortung übernehmen und nicht das Kind beschuldigen, dass es ja auch so schwierig ist mit ihm. Gleichzeitig dürfen Eltern gerne Hilfe in Form von Elternberatung oder Elternkurse annehmen.“
„Es ist ok als Eltern Fehler zu machen. Kinder können damit gut umgehen, solange die Eltern für ihre „Fehler“ die Verantwortung übernehmen und nicht das Kind beschuldigen, dass es ja auch so schwierig ist mit ihm.“ Caroline Märki
Caroline: „Wenn man einen liebevollen Umgang mit sich selbst damit verbindet, sich eine Massage zu gönnen, ein Buch zu lesen oder sonst wie Zeit für sich zu nehmen, dann hat das tatsächlich in einem ausgefüllten Familienalltag manchmal wenig Platz. Ich meine aber eher, sich selbst so zu lieben und akzeptieren, wie man ist. Mit all seinen Ecken und Kanten. Damit ich das kann, muss ich mich selbst gut kennen. Was mag ich, was weniger? Wo sind meine Grenzen? Wo wird es schwierig für mich? Und wenn ich mich kenne, diese Eigenschaften „umarmen“, weil sie zu mir gehören. Das heisst für mich liebevoller Umgang mit sich selbst.“
Caroline: „Wenn ich einen liebevollen Umgang mit mir pflege, dann führt das zu Energie. Ich muss nämlich nicht immer mit voller Kraft gegen meine Macken, Fehler und Eigenschaften ankämpfen. Dieses „weg- haben-wollen“ braucht unglaublich viel Energie. Wenn ich zudem aufhöre mir Ziele zu stecken im Sinne von: „So sollte ich sein, das will ich als Mutter/ als Vater erreichen“, wird noch mehr Energie frei. Energie, die man für das Erreichen dieser Ziele aufgebracht hätte. Und zuletzt ist auch das ständige Suchen nach der perfekten Lösung ein Energiefresser! Fallen all diese Anstrengungen und Bemühungen weg, hat man haufenweise Energie!
Caroline: „Genau. Es geht mehr darum, sich zu fragen: „Wie geht es mir?“, statt: „Was wollen die anderen von mir“ oder „Wie wäre es richtig?“ Nachdem die Frage „Wie geht es mir“ beantwortet wurde, beobachten, wie die Antwort akzeptiert wird. Ist es möglich sich so zu akzeptieren, wie man ist? Diese Fragen und wie man mit den Antworten umgeht, sind ausschlaggebend für ein gesundes Selbstwertgefühl.“
„Es geht mehr darum, sich zu fragen: „Wie geht es mir?“, statt: „Was wollen die anderen von mir.“ Caroline Märki
Caroline: „Perfektion ist eine gute Strategie, Angst zu verbergen oder in den Griff zu bekommen. Angst vor dem Versagen, vor Fehler machen, vor dem nicht mehr weiter wissen, vor Hilflosigkeit…
Die Gesellschaft ist voll von diesen Ängsten. Die heutigen Kinder werden in ihrem Alltag (Schulen und Familien) täglich mit Gefühlen wie „du bist nicht gut genug, du bist nicht ok so wie du bist, du musst was leisten, sonst schaffst du es nicht…“ konfrontiert.“
Caroline: „Das Vergleichen entspringt aus einer Kultur, wo es ein Richtig und Falsch gibt. Kinder beginnen sich bereits in der Vorschule, oder wie wir in der Schweiz sagen, im Kindergarten, sich mit anderen zu vergleichen. Z.B. sagt Max nach dem Kindergarten zu seiner Mutter: „Anna kann viel schöner zeichnen als ich.“ Da kommt es sehr darauf an, wie die Mutter Max in seinem Sein begleitet.
Oft wird ein Lob hervorgeholt, weil die Mutter ihr Kind nicht traurig sehen kann. Im Sinne von: „Ach, du zeichnest doch auch ganz schön.“ Oder es wird verharmlost: „Anna, ist ja auch schon ein Jahr älter als du.“ Eine solche Reaktion hilft Max wenig, denn er wird nicht in seinem Sein gesehen. Nämlich, dass er traurig und enttäuscht ist, dass er nicht so gut zeichnen kann.“
Caroline: „Genau.“
Caroline: „Das „gefährliche“ mit zu viel Lob ist, dass es immer eine Bewertung für ein Können, für eine Leistung ist. Das Loben kann sich kurzfristig gut anfühlen, aber mit der Zeit kann man süchtig danach werden. Denn, wenn man einmal kein Lob bekommt, heisst das ja umgekehrt, dass man nicht gut genug ist und dies führt auf sicher zu Entmutigung. Es ist übrigens nicht zwingend, dass im Bsp. mit Max die Mutter will, dass ihr Kind gut zeichnen kann. Häufig ist es auch so, dass die heutigen Eltern es nicht aushalten, ihr Kind traurig und mutlos zu sehen. Harmonie, glückliche Kinder und heile Welt gehören leider zu unserem Streben in der heutigen Gesellschaft.“
„Das „gefährliche“ mit zu viel Lob ist, dass es immer eine Bewertung für ein Können, für eine Leistung ist. Das Loben kann sich kurzfristig gut anfühlen, aber mit der Zeit kann man süchtig danach werden.“ Caroline Märki
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